Change Projekte und Change Management im Vertrieb

…am Beispiel der Einführung eines Key Account Managements

Die Einführung eines Key Account Managements greift tief in die Machtstrukturen eines Unternehmens ein. Ob es zum Erfolg wird, hängt nicht nur vom zugrunde liegenden Konzept ab. Mitentscheidend ist der Einführungsprozess, der Risiken rechtzeitig erkennt und gegensteuert. Worauf der Verantwortliche für die Umsetzung eines KAM-Konzepts achten und warum dies als Change-Projekt organisiert werden sollte, zeigt dieser Artikel.

Bevor man sich Gedanken über die Umsetzung eines Key Account Managements macht, sollte man sich bewusst werden, was bei einer KAM-Einführung überhaupt geändert wird.

  • Prozesse: Planungsprozesse, interne Abstimmungen, Reporting, Entscheidungen über Angebote und Preisfindung, die Art und Weise, wie Kunden besucht und betreut werden
  • Organisationsstrukturen, Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten: Verantwortlichkeiten für Kunden, Konditionen, Angebote, Reports, der eigene Arbeitsplatz
  • Instrumente, Methoden und IT-Anwendungen: neue Berichtsinstrumente, CRM- und Analyse-Anwendungen
  • Kompetenzen und Fähigkeiten: Teamführung, Workshop-Arbeit mit Kunden, Wettbewerbsanalysen, Präsentationsfähigkeit, Akzeptanz und Umgang mit fremden Einstellungen und Kulturen
  • Steuerungs- und Bewertungssysteme: Provisions- und Bonussysteme, Reporting.

Viele Änderungen greifen in Organisations- und Macht-Strukturen, Regelungen und Privilegien ein. Sie betreffen nicht nur den Vertrieb, sondern auch andere Bereiche des Unternehmens, wie Beschaffung, Entwicklung, Qualitätsmanagement, und Controlling. Es geht an den Kern, es kann wehtun.

Change-Projekte als Erfolgsvoraussetzung

Ein komplexes Key Account Management als Routineaufgabe des Linienmanagements einzuführen, wird nicht erfolgreich sein. Die Aufgabe muss als umfassendes Change-Projekt verstanden werden, wie erfolgreiche Beispiele vieler Unternehmen zeigen. Dazu gibt es Erfolgsfaktoren und Erfahrungswerte, die für das Key Account Management gelten. Sie geben dem oder den Verantwortlichen für die KAM-Einführung Hilfen und Anregungen. Ein komplexes Key Account Management nicht als professionelles Change-Projekt einführen zu wollen, ist aus unserer Sicht ein Managementfehler.

Vier Erfolgselemente eines Change-Projekts stehen für uns im Vordergrund:

  • Klare Definition und Vereinbarung der Aufgabenstellung für Auftraggeber und KAM-Verantwortlichen
  • „Saubere“ Strukturierung des Projekts
  • Professionelles Projektmanagement
  • Berücksichtigung der „weichen Faktoren“.

Klare Definition der Aufgabenstellung für Auftraggeber und KAM-Verantwortlichen

Die Aufgabe „Einführung eines Key Account Managements“ muss gleich zu Beginn eindeutig definiert sein. Es muss klar sein, was am Ende „fertig“ sein soll und was „fertig“ überhaupt bedeutet. Bedeutet es, dass am Ende ein KAM für alle potentiellen Key Accounts eingeführt und über ein Jahr erprobt wurde? Oder bedeutet es lediglich, dass Organisationsänderungen durchgeführt, Prozesse festgelegt und ein Probelauf mit zwei Key Accounts begonnen wurde? Darüber hinaus ist zu definieren, was im Scope ist, was zur Aufgabe dazugehört und was nicht. Beispielsweise könnte für die Einführungsphase die Anzahl der Sparten oder Regionen begrenzt werden.

Zudem sollte klar definiert sein, ob es bereits eine Strategie- und Konzeptentscheidung für das KAM gibt oder ob diese erst noch im Projekt erarbeitet werden muss. Lässt sich der zukünftige KAM-Verantwortliche auf die Einführungsaufgabe ein, sollte er gleich zu Beginn mit seinem Auftraggeber vereinbaren:

  • Warum soll überhaupt ein Key Account Management eingeführt werden? Wer hat diesbezüglich welche Erwartungen?
  • Was muss genau bis wann – und warum – fertig sein?
  • Wer ist der formelle Auftraggeber („Kunde“) des Projekts, wer trifft Entscheidungen und wer muss sonst noch einbezogen werden?
  • Was sind die Rahmenbedingungen der Aufgabe, was darf geändert werden und was nicht?
  • Welche Strategie- und Konzeptentscheidungen wurden bereits getroffen, welche müssen erst noch im Projekt erarbeitet werden?
  • Welches Budget steht zur Verfügung?

Die eindeutige Definition und Klärung der Arbeitsaufgabe „KAM-Einführung“ nutzt dem Auftraggeber ebenso wie demjenigen, der die Aufgabe übernimmt. Ein KAM-Verantwortlicher der ein KAM-Einführungsprojekt ohne diese Klärungen beginnt, handelt fahrlässig und unprofessionell.

Struktur- und Zeitplanung als erster Schritt

Wie und womit ein Projekt beginnen soll und wie es gegliedert werden sollte, ist keine triviale Frage. Der zweite Schritt in einem Change-Projekt – nach der Aufgabenklärung – ist daher die Strukturierung nach Themen, Aufgaben und Zusammenhängen. Ein probates Instrument dazu ist die Methode „Work-Breakdown-Structure“.

Work Breakdown Structure oder Projektstrukturanalyse

Eine WBS sieht typischerweise aus wie ein Organigramm mit zunehmender Detaillierung von oben nach unten. Wenn man eine WBS aufbaut, stellt man sich wiederholt die Frage „Welches Arbeitsergebnis (work) muss abgeliefert werden, damit das Ergebnis der höheren Stufe fertig wird“? Das Gesamtziel auf oberster Hierarchiestufe ist genau das, was Auftraggeber und KAM-Verantwortlicher zu Beginn vereinbart haben.

Arbeitsergebnisse werden simpel formuliert, z.B. „Rollen im Team sind festgelegt“. Eine WBS beinhaltet ausdrücklich nicht, wer das Ergebnis erarbeitet, wann, wie oder wo es erstellt wird. Eine typische WBS umfasst rund 150 Arbeitsergebnisse auf fünf bis sechs Hierarchiestufen. Eine weitere Verfeinerung bereits in diesem Stadium wäre zu kompliziert und kann getrost der späteren Feinplanung überlassen werden.

Auf Basis der WBS können dann die Projekt-Arbeitspakete und die Detailstruktur entwickelt werden. Es folgt die Umsetzung der Arbeitspakete in eine vorerst grobe Zeitplanung, die Road Map. Dabei werden typischerweise Meilensteine und Gateways als Entscheidungs-Punkte festgelegt, die die Eckpfeiler der im Folgenden erstellten Feinplanung werden.

Projekt-Feinplanung und Projekt-Start

Auf Basis der inhaltlichen und zeitlichen Grobstruktur erfolgt dann die Feinplanung des Change-Projekts. Dazu benötigt der KAM-Verantwortliche ein Planungsteam, dessen Mitglieder später Mitglieder des Umsetzungsteams werden können, aber nicht müssen. Das Planungsteam sollte sich für die Feinplanung einige Tage zurückziehen und die Planung gemeinsam durchführen. Wir nennen dies die Planungswoche oder „Week Zero“

Die Hauptaufgaben der Feinplanung sind:

  • Entwickeln von Struktur und Unterstrukturen des Umsetzungsteams,
    Festlegen der benötigten personellen Kompetenzen, Kapazitäten und Rollen,
  • Identifizieren und Verpflichten der Teammitglieder und weiterer für die Projektarbeit wichtiger Personen,
  • Vereinbaren der konkreten Projektaufgaben und Verantwortlichkeiten, z.B. mit Hilfe des „RACI-Instruments“ (siehe Abb. 2)
  • Klären der Frage, ob Externe eingebunden werden sollen und gegebenenfalls Identifizieren und Beschaffen externer Unterstützung, was sehr zeitaufwändig sein kann
  • Festlegen, wie gearbeitet werden soll: Arbeitsaufträge, Teamarbeit, Art der Berichte, Abstimmungen, Präsentationen, Zeitverbuchung, Projekt-Controlling
  • Vereinbaren der Verbindungen zum Management, zur Linienorganisation und zu Gremien. Dazu gehört auch die Frage, wie Entscheidungen getroffen und wie bei Problemen eskaliert werden soll.

Das Ergebnis dieser Arbeit sollte zwischen dem KAM-Verantwortlichem und seinem Auftraggeber verbindlich vereinbart werden, da es Auswirkungen auf Zeitplanung, Einbindung des Managements, Kosten und letztlich die Erfolgsbewertung hat. Idealerweise wird aus dem Ergebnis der Vereinbarung ein Projektauftrags-Dokument („Projekt-Charter“) entwickelt, das formell präsentiert, entschieden und dann zur Leitlinie des Change-Projekts wird.

RACI

Der KAM-Verantwortliche kann neben der Gesamtverantwortung auch operativer Projektleiter sein, muss es aber nicht. Gerade bei großen Change-Projekten hat es sich bewährt, neben dem Gesamt-Verantwortlichen einen operativ zuständigen „Macher“ für die Projekt-Tagesarbeit einzusetzen. Dies kann dann durchaus ein Externer sein.

Typische Probleme in der Feinplanung und beim Projektstart sind die mangelnde Verfügbarkeit geeigneter Teammitglieder, die lange Vorlaufzeit für die Einbindung Externer und die fehlende Berücksichtigung wichtiger Beteiligter (“Stakeholder“). Der KAM-Verantwortliche sollte lieber den Projektstart verzögern, als unter unzureichenden Voraussetzungen zu starten.

Professionelle Projektarbeit: Methoden, Instrumente und Regeln

Die eigentliche Projektarbeit – Analysen, Konzeptentwicklung, Entscheidungsvorlagen, Kommunikation, Controlling – kann auf unterschiedliche Weise erfolgen. Standardisierte Projektmanagement-Methoden, wie PRINCE2 („Projects in Controlled Environments“), können genutzt und Methoden der Prozessoptimierung, wie Six Sigma oder OPEX („Operational Excellence“) eingesetzt werden. Es kann nach klassischer „Wasserfall-Logik“ mit Lastenheft und Pflichtenheft oder „agil“ mittels SCRUM in kurzen „Sprints“ gearbeitet werden. Als Arbeitsinstrumente können diverse elektronische Hilfsmittel und Instrumente eingesetzt werden.

Oftmals ist die einfachste Methode zugleich die beste. Selbst in umfangreichen Projekten kann vieles mit Excel und PowerPoint geleistet werden, ohne spezialisierte Instrumente wie Visio®, ARIS® oder MS Project® zu verwenden. Der Grund: Mit Excel und PowerPoint sollte jeder arbeiten können, es kann von allen problemlos eingesetzt werden. Komplizierte Spezialanwendungen werden hingegen oftmals nicht hinreichend beherrscht und schaffen dadurch mehr Probleme, als sie Nutzen bringen. Meist sind umfassende Methoden wie z.B. PRINCE2 oder SCRUM eher für regelmäßig wiederkehrende Projekte in der Produktentwicklung geeignet, als für einmalige Aufgaben mit einem methodisch unerfahrenen Team.

Falls neue Methoden, Instrumente oder Regeln verwendet werden, müssen sie trainiert werden. Gerade am Anfang kann es hilfreich sein, interne „Methoden-Paten“ als Coaches für weniger erfahrene Teammitglieder zu nutzen. Darüber hinaus können Externe die Teammitglieder befähigen, trainieren und coachen. Es existieren darüber hinaus zahlreiche Methoden und Instrumente zur Teambildung und -bewertung, zur Lösung von Teamproblemen sowie für andere Aspekte der Teamarbeit. Beispiele hierfür sind die Instrumente „Problem-Solving-Team-Building“ zur Optimierung der laufenden Teamarbeit oder der „Organizational Roller Coaster“ zur Beschreibung der emotionalen Entwicklung in einem laufenden Change-Projekt.

Bei der Bestimmung des Veränderungs-Reifegrads einer Organisation wird mit dem Instrument „Readyness-to-change“ Veränderungskönnen und -wollen der Führungskräfte bewertet (siehe Abb. 3). Mit einem Fragebogen werden speziell benötigte Fähigkeiten, Kenntnisse (zum Beispiel zum Projektmanagement), die grundsätzliche Veränderungsbereitschaft sowie der Mut zu Veränderungen abgefragt und auf einer Skala von eins bis zehn bewertet.

Reifegrad für Veränderungen

Berücksichtigung der „weichen Faktoren“: Erfolgselement Kommunikation

Projektarbeit bedeutet letztlich, Entscheidungen herbeizuführen und Menschen zu überzeugen, zu begeistern. Dies hat einen sachlich-inhaltlichen und einen personenbezogenen Aspekt. Für den personenbezogenen Teil ist angemessene Kommunikation ausschlaggebend. Der KAM-Verantwortliche muss festlegen, wie und was kommuniziert werden soll – und zwar projektintern, unternehmensintern, zu Betriebsräten oder Aufsichtsgremien und nach außerhalb des Unternehmens. Er muss dazu festlegen, wann, an wen, durch wen, über welche Kommunikationsplattformen und mit welchen Mitteln kommuniziert wird und wer dazu ggfs. eingebunden werden sollte oder muss.

Es wird grundsätzliche Vereinbarungen und Regeln für spontane Kommunikationsaufgaben im Verlauf der Projektarbeit geben müssen. Verbindliche Sprachregelungen („Sprech“) und Zuständigkeiten sind festzulegen. Hier hilft ein Kommunikations-RACI. Oberster Kommunikator sollte der KAM-Verantwortliche sein, der das nötige “Fingerspitzengefühl“ haben sollte. Im Zweifelsfall kann ein externer Kommunikationsprofi zu Rate gezogen werden. Zugleich muss auch sichergestellt werden, dass keine Projekt-Geheimnisse ungeplant veröffentlicht werden. Daher ist sorgfältig zu entscheiden, wer über was innerhalb des Projektteams informiert wird und wo sensible Daten abgelegt werden. Manch kritischer Zwischenstand wurde schon am Drucker vergessen oder auf offen zugänglichen Ordnern abgelegt – mit fatalen Folgen.

An einen Lenkungsausschuss und an den Auftraggeber muss per se regelmäßig berichtet werden. Oft sind es aber die Beeinflusser ‚hinter‘ der eigentlichen Organisationsstruktur, die wesentlich zum Erfolg oder Misserfolg eines Change-Projektes beitragen. Es ist daher wesentliche Aufgabe des KAM-Verantwortlichen, diese zu identifizieren und auf geeignete Weise einzubinden. Informelle Hintergrund-Gespräche und das Festlegen von Projektpaten gehören dazu.

Viele Projektteams laufen Gefahr, sich zu sehr auf Sachthemen zu konzentrieren. Dabei übersehen sie Fragen, Sorgen und Ängste derjenigen, die später von den vorgeschlagenen Prozess- und Organisationsänderungen betroffen sein werden. Es sind drei Gruppen von Fragen und Sorgen, die berücksichtigt werden sollten:

  • Existenzängste: Verlust des eigenen Jobs
  • Veränderungsängste: Einschränkung des eigenen Verantwortungsbereichs, Verlust von Macht und Privilegien, Zerstörung informeller Strukturen, Einführung unbekannter Methoden, Regeln und (IT-) Instrumente, Änderung von Verdienstmöglichkeiten, Bonus- und Provisionsregeln, Verschlechtern von Arbeitsumständen und Wechsel des Arbeitsorts
  • Zweifel am KAM-Konzept: Für das eigene Unternehmen und die Kunden könnte möglicherweise eine schlechte Lösung realisiert werden.

Diese Sorgen müssen berücksichtigt werden, um den Erfolg der KAM-Einführung sicher zu stellen. Selbst wenn sie unbegründet sein sollten, müssen sie von einem professionellen Projektteam ernst genommen und berücksichtigt werden. Oft wird man adhoc keine für alle zufriedenstellende Antwort auf die Fragen und Sorgen finden können; dennoch muss man mit ihnen transparent und fair umgehen. Viel zu oft werden Kommunikationsaufwand und Bedeutung der „weichen Faktoren“ unterschätzt. Die Folgen können Resignation oder massiver Widerstand sein.

Neben einem guten, professionellen Projektmanagement muss die gesamte Organisation in der Lage sein, den Aufbau eines Key Account Managements zu verkraften. Es gibt Unternehmen, die sich vehement gegen Änderungen zur Wehr setzen und in denen die Mitarbeiter nicht gelernt haben, mit Veränderungen umzugehen. Wenn in einer überforderten Organisation Führung, Kapazitäten, Kompetenzen und die entsprechende Veränderungskultur nicht vorhanden sind, kann selbst ein perfektes Projektmanagement die Erwartungen und vereinbarten Ziele nicht erreichen. Dann müssen möglicherweise Zielniveau und Erwartungen abgesenkt, der Aufwand muss erhöht oder die Zeitachse gestreckt werden. Auch in einer überforderten, wenig reifen Organisation können Veränderungen herbeiführt werden – allerdings mit großem Aufwand und bei hohem Risiko. Die bereits vorgestellte Methode „Readyness-to-change“ kann vorab als Analyseinstrument zur Risikobewertung verwendet werden.

Nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen

Mit welchem Aufwand soll ein Key Account Management eingeführt oder angepasst werden? Verbindliche Aussagen dazu sind ohne Kenntnis einer konkreten Change-Aufgabe nicht möglich. Der Aufwand hängt von drei Faktoren ab

  • Größe und Komplexität der Organisation und des einzuführenden Key Account Management-Systems, Komplexität der Markt-, Kunden- und Wettbewerbssituation, branchenspezifische Besonderheiten
  • Veränderungsbereitschaft und -fähigkeit der eigenen Organisation
  • Vorhandensein eines erfahrenen Projektmanagements.

Es wäre unpassend und riskant, eine wirklich komplexe Aufgabe zu unterschätzen und mit mangelhafter Kompetenz, zu geringer Kapazität, zu kleinem Budget und gegebenenfalls ohne externe Unterstützung bearbeiten zu wollen. Auf der anderen Seite ist es unnötig und sogar falsch, ein eigentlich einfaches Change-Projekt mit übergroßem Aufwand durchzuführen und „mit Kanonen auf Spatzen schießen“ zu wollen. Oft ist es besser, den Aufwand zu begrenzen. Bei der Klärung und beim Skalieren des Projektaufwands sollten am Anfang die Phasen Auftragsklärung und Strukturplanung genutzt werden.

Sechs-stufiges Modell eines Change-Projekts

Das sechsstufige Modell eines Change-Projekts dient der grundsätzlichen Vorgehens-Beschreibung und Strukturierung (siehe Abb. 4).

Schritt 1: Ist-Aufnahme / Status Quo

Im Modell beginnt der erste Schritt (1) mit der Aufnahme der Ist-Situation, des Status quo. Zu klären sind die Fragen: Wo steht der Vertrieb heute? Wie werden wichtige Kunden heute bearbeitet? Welche Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken haben wir in der Kundenbearbeitung. Für diese Bestandsaufnahme gibt es zahlreiche Methoden und Ansätze: qualitativ und quantitativ-analytisch, intern und extern, auf Basis vorhandener Informationen und durch neue Analysen. Oft kann auf bestehenden Untersuchungen zurückgegriffen werden, die zuvor die Entscheidung zur Einführung eines Key Account Managements ausgelöst hatten.

Umsetzungsmodell

Schritt 2: Vision / Zukunftsbild / Fernbild

In zweiten Schritt (2) wird das Bild einer als besonders attraktiv bewerteten Zukunft entwickelt. Diese Zukunft sollte fern genug sein, damit wirklich etwas geändert werden kann und zugleich nah genug, damit sie im Strategie-Planungshorizont von drei bis fünf Jahren liegt. Dieses Fernbild sollte ohne Scheuklappen entwickelt werden („das ging bei uns noch nie…“) und aufzeigen, wie sich die Beteiligten – auch unter Einbezug von Kunden oder Lieferanten – das Idealbild der eigenen Zukunft vorstellen, noch bevor die Realisierbarkeit geprüft wurde.

Schritt 3: Ableich Ist mit Fernbild

Im dritten Schritt (3) werden dann Status quo und Fernbild abgeglichen und dabei typischerweise etliche Elemente des Fernbilds als nicht realisierbar oder zu aufwändig bewertet und zurückgestellt. Jede Zurückstellung sollte gut begründet und hinterfragt werden.

Schritt 4: Konzeptentwicklung

Aus den verbleibenden Elementen und auf Basis eines übergreifenden Geschäftsplans wird dann im vierten Schritt (4) ein konkretes Konzept / Ziel definiert, das angesteuert und erreicht werden soll. In der Regel enthält es Elemente konkreter, wissenschaftlich untermauerter KAM-Modelle, wie sie zum Beispiel von der HSG in Zusammenarbeit mit Mercuri International entwickelt wurden.

Schritt 5: Umsetzungsplanung

Der fünfte Schritt (5) beinhaltet die Umsetzungsplanung mit allen Mitteln, Wegen, Meilensteinen, der Umsetzungsorganisation, den geeigneten Methoden und Instrumenten. Es wird aufgezeigt und geplant, wie das zuvor festgelegte Konzept und Ziel tatsächlich realisiert werden könnte.

Schritt 6: Umsetzung

Die eigentliche Umsetzung im sechsten Schritt (6) wird sich an dieser Umsetzungsplanung orientieren. Sie wird aber nie genau so verlaufen, wie es der Plan vorgesehen hatte. Ein erfahrener KAM-Verantwortlicher und eine erfahrene Projektleitung können hier zeigen, dass sie ihr Change-Projekt wirklich im Griff haben, notfalls korrigierend eingreifen und Pläne nicht nur mechanisch abarbeiten.

Auch bei kleineren Projekten wird es sinnvoll sein, dieses Modell „im Hinterkopf“ zu haben, selbst wenn die einzelnen Schritte nicht ausdrücklich so verfolgt werden.

Negative Fallbeispiele

Negative Beispiele misslungener KAM-Einführungen und -Umsetzungen gibt es viele, hier einige typische Beispiele:

  • Unklare Aufgabenstellung: Die Beteiligten sind sich nicht einig über die Ziele und das Vorgehen bei der KAM-Einführung, sie haben die Aufgabe vor Projektstart nicht ausreichend durchdacht, geklärt und vereinbart.
  • Zu schneller, unvorbereiteter Start: Aufgrund von Zeitdruck wird ein Projekt gestartet, obwohl die benötigten Personen und / oder externe Unterstützung nicht an Bord sind, die Projektstruktur nicht richtig geplant ist und Methoden nicht trainiert wurden.
  • Falsche Umsetzungsziele: Eine zu große Anzahl Key Accounts soll aufgebaut werden, die Umsetzung soll zu schnell erfolgen, Budget- und Kostenvorstellungen sind falsch, das KAM-Konzept passt gar nicht zur eigenen Industrie und Marktsituation; es wird etwas angestrebt, was nicht umgesetzt werden kann, obwohl das zugrunde liegende KAM-Konzept sinnvoll und tragfähig ist.
  • Falsches Change-Verständnis: Keine hinreichende Berücksichtigung der Bedürfnisse der Betroffenen, Übersehen informeller Zusammenhänge und der Tatsache, dass gegen oder ohne die Betroffenen kein Erfolg möglich ist; mit mechanischem Change-Verständnis („was im Excel steht, das lässt sich auch realisieren“) lassen sich große Veränderungen nicht erfolgreich realisieren.
  • Falsche Einschätzung der Veränderungsfähigkeit der eigenen Organisation: Den Reifegrad, die Veränderungsbereitschaft und -fähigkeit einer Organisation zu unterschätzen ist gerade in großen Organisationen ein erhebliches Risiko; unter Umständen misslingt nicht nur die KAM-Einführung, sondern das gesamte Gefüge des Vertriebs gerät durcheinander.
  • Unfähiges Projektmanagement: Wenn das Projektmanagement fachlich, organisatorisch und menschlich unfähig, wenn es parteiisch ist oder nicht genügend Kapazität hat, wird ein Change-Projekt scheitern. Projektmitarbeiter, Vertriebsorganisation und Kunden werden verärgert und am Ende wird das Gegenteil der Wachstums-Ziele und Erwartungen erreicht.
  • Mangelhaftes Engagement des Auftraggebers: Wenn dem Auftraggeber das Thema nicht wichtig genug ist, er das nötige eigene Engagement nicht aufbringen will, nicht durchsetzungsstark genug ist, im Laufe der Projektarbeit willkürlich die Ziele verändert, oder Prioritäten bei einem Führungswechsel geändert werden, kann ein KAM-Projekt auf halbem Wege steckenbleiben und mit Frustration aller Beteiligten „versanden“.

Externe Unterstützung

Ein externer Berater kann viel zum Erfolg einer KAM-Einführung beitragen. Er kann die Projektleitung unterstützen, die operative Projektleitung übernehmen, Sachaufgaben erledigen, wie zum Beispiel das Projektoffice führen oder Kommunikationsunterstützung leisten, Teams trainieren, begleiten und coachen. Er kann einem Unternehmen aber nicht die Verantwortung für das Gelingen der KAM-Einführung und das Erzielen des geplanten Nutzens abnehmen. Wir empfehlen daher, dass Externe ein Unternehmen dazu befähigen, die KAM-Einführung selbst zu bewältigen. Das ist in den meisten Fällen besser, als die gesamte Aufgabe der KAM-Einführung in die Hände eines Externen zu legen und ihn zum KAM-Verantwortlichen zu machen. So leistet der Externe, über die eigentliche Sachaufgabe hinaus, seinen Beitrag zur Kompetenz- und Weiterentwicklung des Unternehmens. Durch seine Erfahrung, Fachkenntnis, Seniorität und durch seine Neutralität kann er den Erfolg des Change-Projekts zur KAM-Einführung absichern oder überhaupt erst ermöglich.


Dieser Artikel wurde im November 2015 in der Zeitung Sales Management Review 5/2015 auf den Seiten 52 ff. veröffentlicht. Sales Management Review erscheint im Verlag Springer Gabler, Wiesbaden. www.springer-gabler.de.

Autor: Peter Klesse – letzte Überarbeitung 2021

>> Schreiben Sie mir eine eMail, wenn Sie über Change-Management mit uns reden wollen. Ich heiße Peter Klesse und bin Geschäftsführer von BPSales